Erklärung zum Recht auf Selbstbestimmung in der Bildung

Immer mehr junge Menschen im schulpflichtigen Alter entscheiden sich für eine selbstbestimmte und selbst­organisierte Bildung ohne Schulbesuch, für sogenanntes „Freilernen“. Inhalte und Methoden dieser Bildung sind vielfältig. Sie reichen von informellem Lernen im Alltag mit Familie und Freund*innen über gesellschaftliches Engagement (z.B. in Vereinen, Kirchengemeinden, Parteien) bis hin zu formeller Bildung im Rahmen von Kurs­teilnahmen oder selbstgewählten Fernschulprogrammen.

Durch die in Deutschland als alternativlos geltende, absolute Schulbesuchspflicht werden diese jungen Menschen und ihre Sorgeberechtigten bislang diskriminiert, oft pathologisiert und Zwangsmaßnahmen unterworfen. Viele Familien werden durch finanzielle Sanktionen in materielle Not getrieben. Andere leben versteckt oder sehen sich zur Auswanderung gezwungen. Angesichts dessen erklären wir, die Unterzeichner*innen des vorliegenden Textes:

Jeder junge Mensch hat das Recht auf Bildung. Bildung ist ein individueller, aktiver Prozess des Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung. Dies lässt sich nicht verordnen und erzwingen. Die Schulpflicht verkehrt das Recht auf Bildung in sein Gegenteil, in einen kollektiven Zwang. Sie missachtet die Selbstbestimmungsrechte der jungen Menschen und ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig.

Bildung ohne Schulbesuch ist international eine Selbstverständlichkeit. Die meisten westlichen Demokratien kommen ohne Schulbesuchspflicht aus. Die verbreitete Sorge, dadurch würden Extremismus und Fundamentalismus gestärkt, ist empirisch durch nichts begründet. Auch in Deutschland ist Bildung ohne Schulbesuch eine Realität – der Rechts­widrigkeit zum Trotz. Repression und Bestrafung schaden den betrof­fenen jungen Menschen und ihren Familien.

Wir, die Unterzeichner*innen, sind junge Menschen, die sich ohne Schulbesuch bilden oder dies anstreben, wir sind Angehörige, Sympathisant*innen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Organisationen, die Selbstbestimmung junger Menschen unterstützen. Wir sehen uns – und alle Freilerner*innen und deren Familien – als einen Teil der Gesellschaft, der deren Pluralität widerspiegelt. Wir lehnen ein autoritär-paternalistisches Verständnis des elterlichen Erziehungsauftrags ab. Wir distanzieren uns von der Ideologie der Staatsleugner (sogenannte „Reichsbürger“), von nationalistisch oder völkisch geprägter Esoterik und von Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus sowie religiösem Fundamentalismus in jeglicher Form. Wir rufen alle Beteiligten aus Schule, Jugendhilfe, Politik, Justiz, Verwaltung und Wissen­schaft dazu auf, mit uns in einen Dialog über die verantwortungsvolle Umsetzung des Rechts auf Selbstbestimmung in der Bildung in Deutschland zu treten.

Als Grundlage für diesen Dialog erklären wir bezüglich einer künftigen gesetzlichen Regelung des Selbstbe­stimmungsrechts junger Menschen in der Bildung:

Freilernen ist kein Elternrecht, sondern ein Selbstbestimmungsrecht junger Menschen
Freilernen folgt unserem Verständnis nach aus einer Entscheidung des jungen Menschen selbst, nicht aus einer Entscheidung, die seine Eltern oder andere Personen für ihn treffen. Das betrifft in aller Regel auch Methoden und Gegenstände der Bildung. Die Entscheidung für selbstorganisierte Bildung darf nicht gegen den Willen des jungen Menschen erfolgen. Jeder hat das Recht zum Schulbesuch, und jeder hat das Recht auf schulfreie Bildung!

Das Recht auf Selbstbestimmung in der Bildung ist integraler Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
Das Recht auf Selbstbestimmung in der Bildung ergibt sich zwingend aus der freiheitlich-demokra­tischen Ordnung in Deutschland, deren Ausdruck und Garant das Grundgesetz ist. Maßgebend sind hier die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die persönlichen Freiheits- und Selbstbestim­mungsrechte der jungen Menschen. Dazu gehört, dass der Staat Schulen für alle anbietet (Art. 7 GG) und über das Kindeswohl wacht (sog. „Wächteramt“, Art. 6 GG).

Das Recht auf Selbstbestimmung in der Bildung schützt junge Menschen
Freilerner*innen pflegen meist vielfältige soziale Kontakte. Zugleich ist anzuerkennen, dass nicht jeder junge Mensch in gleichem Maß das Bedürfnis nach Sozialkontakt empfindet. Diese individuellen Unter­schiede sind zu respektieren. Im Einzelfall kann das Kindeswohl bei Freilerner*innen – genau wie bei jungen Menschen, die Schulen besuchen – gefährdet sein. Diesem Schutzbedarf wird der Gesetz­geber durch Legalisierung und gesetzliche Regulierung schulfreier Bildungswege besser gerecht als durch eine Schulpflicht, die Familien in die Illegalität oder zum Auswandern zwingt.

Schulfreie Bildungswege sind keine Konkurrenz, sondern eine Bereicherung für das Schulwesen
Bildung ohne Schulbesuch ergänzt und bereichert das in Form von öffentlichen und privaten Schulen organisierte Bildungswesen. Auch schließen Freilernen und Schulbesuch einander nicht aus. Viele Freilerner*innen würden bestimmte schulische Angebote gerne wahrnehmen. Die Absolutheit der herrschenden Schulpflicht verhindert dies. Eine Öffnung würde Impulse für die Weiterentwicklung schulischer Bildung geben. Dies gilt insbesondere für die notwendige Stärkung von demokratischer Partizipation und Selbstbestimmung in den Schulen.

Wir wollen ein plurales, demokratisches und wirklich inklusives Bildungssystem, das die Grundrechte junger Menschen respektiert. Wir fordern deshalb die Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung in der Bildung und die Legalisierung von Bildungswegen ohne Schulbesuch in Deutschland!

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